Fazit und Handlungsempfehlungen

Gründungsförderung ist, wie die hohe Verankerung in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulträgern zeigt, mittlerweile ein staatlicher Auftrag der Hochschulen. Immer mehr Hochschulen kommen diesem Auftrag nach, zudem professionalisieren sich gerade die Hochschulen im Spitzenfeld der Gründungsradar-Rankings fortlaufend weiter. Fortschritte sind sowohl in der Breite als auch in der Spitze der Gründungsförderung an Hochschulen zu erkennen.

Insgesamt stieg die Zahl der Gründungen und Gründungsvorhaben im Vergleich zum letzten Gründungsradar weiter an. Das Gründungsgeschehen an deutschen Hochschulen entwickelt sich demnach positiv, wobei die Auswirkungen der großen aktuellen Förderprogramme wie EXIST-Potentiale oder des Landesprogrammes Exzellenz Start-up Center. NRW sich erst noch zeigen werden.

Eine zentrale Herausforderung bleibt die Finanzierung: Dabei geht es nicht zwangsläufig nur um mehr Geld, entscheidend scheinen die Kontinuität und Planbarkeit der Finanzmittel. Zahlreiche Hochschulen geben an, dass das Haupthindernis für eine gute Gründungsförderung die fehlende Verstetigung der Finanzierung sei, und fordern Entsprechendes von der Politik.

  • Grundfinanzierung stärken: Wenn Gründungsförderung von der Politik als eine zentrale Aufgabe der Hochschule gesehen wird, dann muss sich dies in der Finanzierung widerspiegeln. Heute wird die Gründungssensibilisierung und -unterstützung als ein Schwerpunkt im Handlungsfeld Transfer und Kooperation zu fast drei Vierteln durch Drittmittel finanziert. Sie bleibt damit abhängig vom Erfolg der einzelnen Hochschule in einschlägigen Förderprogrammen und wird nicht als integrativer Bestandteil von Lehre und Forschung mitgedacht. Mit einer höheren Grundfinanzierung durch die Länder ließen sich Strukturen und Ideen nachhaltiger aufbauen beziehungsweise verfolgen, die Fluktuationskosten senken und mehr Praxiswissen durch längere Beschäftigungsdauern  in der Gründungsförderung aufbauen.
     
  • Förderimpulse als Experimentierphase für Ziel- und Profilbildung nutzen: Bundes- und Landesförderungen ermöglichen hervorragende Experimentierräume, um eine dem Standort und der Hochschule angemessene Gründungsförderung zu entwickeln. Hochschulen müssen diese Experimentierräume noch stärker nutzen, um ihre Ziele in der Gründungsförderung zu schärfen und Formate auszuprobieren. Um den Beitrag der einzelnen Maßnahmen und ihren Nutzen für potenzielle Gründerinnen und Gründer bewerten zu können, sollten die Hochschulen ihre Gründungsförderungen daher noch systematischer evaluieren. Auf der Grundlage der Ergebnisse können die eigenen Aktivitäten gezielt weiterentwickelt werden. Die Ergebnisse dieser Evaluation können in der Netzwerkarbeit und im Austausch zwischen den Hochschulen – immerhin der am häufigsten genannte Erfolgsfaktor – für die Professionalisierung der Landschaft insgesamt genutzt werden. So können im Anschluss an eine Förderung die Ressourcen in die Formate und Aktivitäten investiert werden, die sich als besonders wirkungsvoll erwiesen haben, und ein ressourceneffizientes Profil in der Gründungsunterstützung entwickelt werden.
     
  • Parallelstrukturen vermeiden, Wissensmanagement professionalisieren: Nachhaltigkeit und Kontinuität in der Gründungsförderung brauchen auch eine klare Prioritätensetzung der Hochschulen und eine langfristige Verankerung in den Strukturen. Solange eine Steigerung der Grundmittel für die Gründungsförderung nicht vorankommt, ist es für die Hochschulen wichtig, durch Anstrengungen im Wissensmanagement die Fluktuationskosten zu senken – ein ständiger Neustart der gesamten Gründungsförderung bei Personalwechsel, wie ihn manche Hochschulen beklagen, muss vermieden werden. In den Förderphasen sollten Doppelstrukturen vermieden werden. Eine Integration projektbezogener Stellen in die bestehenden Strukturen erleichtert das langfristige Wissensmanagement und verankert förderbezogene Ziele in der Gesamtausrichtung der Hochschulen innerhalb des Handlungsfeldes Transfer und Kooperation.
     
  • Netzwerke zur Stärkung der Gründungsförderung nutzen: Diese Ziel- und Profilbildung in der Gründungsförderung kann auch bedeuten, ausgewählte Aktivitäten nicht anzubieten und auf die Stärke von Netzwerken zu setzen. Eine kluge Arbeitsteilung in der Gründungsförderung mit anderen Hochschulen, mit regionalen Akteuren oder auch in internationalen Netzwerken kann ein wichtiger Beitrag zur Ziel- und Profilbildung sein und gleichzeitig wertvolle Ressourcen sparen. Die quantitative und qualitative Analyse der Netzwerke hat gezeigt, welchen Mehrwert diese für die Erweiterung des eigenen Angebotes, die nationale und internationale Vernetzung und Sichtbarkeit schaffen können.
     
  • Internationalisierung standortbezogen entwickeln: Aktuelle Förderprogramme legen einen Fokus auf die Internationalisierung von Gründungsförderung an Hochschulen in Deutschland. Dabei zeigen sich Internationalisierungsanstrengungen in ganz unterschiedlicher Form. Einige Hochschulen konzentrieren sich darauf, internationale Gründerpersönlichkeiten nach Deutschland zu holen; andere schicken ihre Gründerpersönlichkeiten ins Ausland oder entwickeln Formate, in denen die eigenen und internationale Gründerinnen und Gründer zusammenkommen. Die aktuelle Coronapandemie zeigt mit ihren Beschränkungen für die Mobilität insgesamt, dass auch die Internationalisierung in der Gründungsförderung unter neuen Vorzeichen steht. Dies kann eine große Chance sein, diese neu zu denken: gemeinsam in Netzwerken, gemeinsam mit Partnerhochschulen im Ausland, gemeinsam mit regional ansässigen, international tätigen Unternehmen. Die ersten Erfahrungen der Hochschulen im Rahmen der aktuell laufenden Förderung EXIST-Potentiale sollten hier ausgewertet und breit diskutiert werden: An welchen Stellen kann man Ideen und Maßnahmen aus dem Ausland recht einfach übernehmen, wo ist eine Anpassung an die Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Eigenheiten Deutschlands nötig und wann muss ein gänzlich eigener Weg gefunden werden?
     
  • Internationale Vergleichbarkeit auf Datenbasis stellen: Die Gründungsaktivitäten haben sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet und professionalisiert. Auch die Zahl der Ausgründungen aus der Wissenschaft ist kontinuierlich gestiegen. Eine internationale Vergleichbarkeit, insbesondere mit Blick auf die Ausgründungen aus der Wissenschaft, ist allerdings angesichts der Datenlage schwierig. Eine belastbare europäische oder internationale Datengrundlage wäre hier wünschenswert. Eine Beteiligung von Hochschulen in den existierenden Befragungen wäre ein weiterer wichtiger Schritt, um die Datenlage zu verbessern.
     
  • Vielfalt in der Gründungsförderung ernst nehmen: Frauen sind in der Gründungsförderung immer noch deutlich unterrepräsentiert. Mehr als ein Drittel der Hochschulen sprechen Frauen mit gezielten Maßnahmen, Programmen und Sensibilisierungsangeboten an. Ob diese gezielte Ansprache gewünscht und erfolgreich ist, müssen Evaluationen zeigen. Wenn man derartige Maßnahmen jedoch anbietet, dann sollten die Programme und Maßnahmen auch auffindbar sein – in unserer Online-Nachrecherche war dies oftmals nicht der Fall. Des Weiteren sollten – wo es sich anbietet – auch die Fächerbereiche Kunst und Geisteswissenschaften nicht zu stark vernachlässigt werden, auch hier gibt es Potenziale.
     
  • Risiken durch die Coronapandemie abfedern, sich aus der Situation ergebende Chancen nutzen: Die Daten aus dem aktuellen Gründungsradar beziehen sich in der Regel auf die Zeit vor der Ausbreitung von SARS-CoV-2. Die Pandemie hat voraussichtlich auch auf die Gründungsszene enorme Auswirkungen. Dabei gibt es sowohl Risiken als auch Chancen. Risiken dahingehend, dass Kundenkontakt derzeit erschwert ist und in vielen Bereichen der Erfolg von dem direkten Kundenkontakt abhängt, zudem verhalten sich Investorinnen und Investoren oftmals vorsichtiger als vor der Krise. Chancen dahingehend, dass – so simpel es klingt – neue Situationen neue Antworten und innovative Ideen benötigen. Gerade in den Bereichen Digitalisierung, Onlinedienstleistungen und Logistik tun sich noch ungelöste Probleme und unbesetzte Themen auf. Nicht zu unterschätzen auch: Langeweile während der Lockdowns als Schlüssel zu neuer Kreativität. Von einigen Hochschulen haben wir die Rückmeldung, dass die Beratungsanfragen in Coronazeiten eher mehr als weniger werden.

Erste Antworten auf die Auswirkungen von Corona auf die Gründungsförderung an Hochschulen, auch im Wechselspiel mit den großen neuen aufgelegten Förderlinien, liefert dann der nächste Gründungsradar 2022.